Nicht loslassen können (die 15 größten Missverständnisse)
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„Ich kann nicht loslassen!“ (die Ursache und die Lösung)

“Die Angst vor dem Loslassen beinhaltet die Angst vor dem freien Fall.”

(Esther Klepgen)

Warum kann ich nicht loslassen?

Weil du ein falsches Verständnis von der Bedeutung des Loslassens hast.

Alleine der Klang des Wortes „Loslassen“ löst oft einen inneren Widerstand in uns aus.

Und das ist auch kein Wunder, denn Loslassen richtet sich erst einmal gegen alles, was wir gelernt haben.

In diesem Artikel finden wir deshalb heraus:

  • Warum dieser Widerstand zum größten Teil auf Missverständnissen beruht,
  • wie du sie aus dem Weg räumst und
  • wie dir damit das Loslassen gelingt.

(Hinweis: Dieser Artikel ist ein gekürztes Kapitel aus meinem neuen Buch über das Loslassen)

 

Warum wir nicht loslassen können

  • “Ich mag das Wort Loslassen nicht.”
  • “Ich kann nicht loslassen. Loslassen assoziiere ich mit Verlust.”
  • “Beim Gedanken an das Loslassen sträubt sich alles in mir.”

Kommen dir diese Aussagen bekannt vor?

Dann geht es dir nicht anders, als den meisten Menschen.

Wir leben in einer Kultur des Festhaltens und Bewirken-Wollens.

Wir erschaffen riesige Wolkenkratzer, schicken Sonden zu fremden Planeten und machen uns das Leben durch den technischen Fortschritt ständig bequemer.

Etwas nicht zu machen, sondern loszulassen, macht uns deshalb Angst.

Dazu kommt noch, dass in unserer Gesellschaft und unseren Köpfen zahlreiche Missverständnisse zum Thema Loslassen herrschen.

  • “Wenn ich loslasse, heißt das doch, dass ich aufgebe!?”
  • “Riskiere ich damit nicht, alles zu verlieren, wenn ich loslasse?”
  • “Mache ich mich nicht zum Opfer, wenn ich einfach loslasse und alles hinnehme?”
  • “Bringe ich damit nicht zum Ausdruck, dass mir etwas oder jemand egal ist, wenn ich es oder ihn loslasse?”

Die Antwort auf all diese Fragen ist:

Nein.

Nichts davon trifft zu.

Und wir wollen uns im Folgenden genau anschauen, warum. Denn:

Nur wenn du wirklich verstehst, was Loslassen bedeutet, und keine Abneigung und inneren Widerstand mehr dagegen hast, kannst du es auch wirklich in deinem Leben nutzen.

 

Loslassen – Die 15 größten Missverständnisse (Was Loslassen nicht ist)

Wo man hinsieht, lesen und hören wir vom Loslassen.

  • “Lass den Zorn los.”
  • “Lass deine Vergangenheit los.”
  • “Lass deine Begierden los.”

Dabei scheint es erst einmal gar nicht so klar zu sein, was mit diesem Wort überhaupt gemeint ist.

Grundsätzlich hört es sich zunächst einmal danach an, als würde Loslassen bedeuten, Dinge einfach aus unserem Leben zu entfernen… wie eine alte Vase, die zwar ein Erbstück von Oma Hilde war, aber schlicht und ergreifend einfach scheußlich aussieht.

Doch so leicht ist es nicht.

Weder unseren Zorn, noch unsere Vergangenheit, noch unsere Begierden oder sonst irgendeine Eigenart oder Verhaltensweise, die uns Probleme bereitet, können wir einfach loslassen.

Sie sind nicht irgendwelche Gegenstände, die einfach scheußlich in der Gegend herum stehen.

Die Dinge, die wir festhalten, sind Teil von uns. Und niemand will gerne einen Teil von sich selbst loslassen.

Deshalb sorgt dieses allgemeine Verständnis des Wortes Loslassen meist für Verwirrung und Unbehagen.

Daher wollen wir zunächst einmal die Begrifflichkeiten richtig stellen.

Denn nein, Loslassen bedeutet nicht, etwas einfach aus seinem Leben zu entfernen, wie Oma Hildes alte Vase. Loslassen ist nicht …

 

1) Verbannen oder Loswerden

Im Gegenteil:

Wenn ich etwas aus meinem Leben verbannen möchte, widme ich ihm so viel Energie und Aufmerksamkeit, dass ich es dadurch noch auf ein Podest stelle und es in meinem Leben halte.

Der Wunsch, ein Gefühl, eine Angst, ein Verhaltensmuster oder irgendetwas anderes aus unserem Leben zu verbannen, führt nur dazu, dass wir dieser Sache noch mehr Aufmerksamkeit widmen und sie damit wachsen lassen.

Denke an die Wirkung von negativen Gedanken und Vermeidungsstrategien in unserem Unterbewusstsein: Die Verneinung wird nicht wahrgenommen und genau das Gegenteil passiert: Du fokussierst dich auf den Gegenstand, den du loslassen willst und hältst damit noch mehr fest.

 

Loslassen heißt, akzeptieren

Loslassen bedeutet nicht, diese scheußliche Vase aus dem Haus zu werfen, sondern, einen Weg zu finden, jeden Tag glücklich und zufrieden zu sein, egal ob diese Vase dort steht oder nicht.
  • “Aber ist es nicht ignorant, trotz Problemen im Leben einfach glücklich zu sein und sich nicht darum zu scheren?”

 

2) Probleme ignorieren

Viele Menschen denken auch direkt daran, dass Loslassen bedeutet, dass man ein Problem einfach ignoriert, es ausblendet und trotzdem glücklich ist.

In gewisser Weise ist da ja auch etwas dran, denn wir haben ja eben schon gesehen, dass Loslassen bedeutet, sein Glück nicht mehr von einem Ereignis oder Umstand abhängig zu machen.

Aber es bedeutet nicht, dass diese Sache ignoriert wird:

 

Loslassen heißt achtsames Wahrnehmen

Loslassen bedeutet, diese Sache sehr bewusst wahrzunehmen und tief hineinzugehen, um schließlich die wahre Ursache hinter dem Problem zu erkennen.

Beispielsweise die Angst des Egos vor dem Ausschluss der Gruppe.

  • “Aber nehme ich damit nicht trotzdem diese Probleme einfach hin?”

 

3) Hinnehmen und Opfer sein

Loslassen bedeutet nicht, dass du die Umstände einfach so hinnehmen musst, wie sie sind.

Das haben wir ja schon im vorangegangenen Kapitel festgestellt, als es beispielsweise um den schlagenden Ehemann ging.

Sehr wohl kannst du etwas loslassen und gleichzeitig dennoch daran interessiert sein.

 

Loslassen heißt, Verantwortung zu übernehmen

Loslassen bedeutet sogar oft, dass du dich aktiv aus deiner Opferrolle befreist!

Denn meist ist es unser Verstand und unser Ego, das uns aus irgendwelchen fadenscheinigen Gründen in der Opferrolle gefangen hält.

Die geschlagene Frau verlässt den schlagenden Mann beispielsweise nicht, aus Angst vor ihm oder vor dem Urteil der Gesellschaft.

Loslassen bedeutet, sich genau von diesen Ketten seines Verstandes (Egos) zu befreien und sich von seiner inneren Intuition leiten zu lassen. Der Verstand tritt in den Hintergrund. Das Unterbewusstsein (bzw. Überbewusstsein) übernimmt die Führung und zeigt dir den richtigen Weg.

Du hörst wieder mehr auf dein Bauchgefühl und dieses weiß in der Regel sehr viel früher als dein Verstand, was gut für dich ist und was nicht.

  • “Aber trotzdem geht es einem doch schlecht, wenn man loslässt!”

 

4) Miserabel oder negativ sein

Bei all dem Gerede vom Loslassen, Akzeptieren und Hingeben, könnte man schnell auf die Idee kommen, Loslassen bedeutete, sich damit abzufinden, dass es einem schlecht geht und einfach zu lernen, miserabel zu sein.

Das ist absolut nicht der Fall!

Loslassen ist das genaue Gegenteil:

 

Loslassen heißt positiv sein

Es ist die Abwendung, von der Negativität, die unsere Angst und unser Ego erzeugen, und die Zuwendung zum Positiven.

Loslassen bedeutet nicht, dass du Schmerz und Trauer einfach akzeptieren und ertragen lernen sollst. Es bedeutet, sie zuzulassen und anzusehen, wenn sie da sind, ihre Existenz anzuerkennen, sich nicht vor ihnen zu verschließen, sie sogar willkommen heißen und sich dann dem Positiven zuzuwenden.

Sehe diese negativen Gefühle und Gedanken wie einen Teil der Familie an, der dir vielleicht nicht so sympathisch ist, aber dennoch dazu gehört.

Wenn sie zu dir kommen wollen, lass sie bei dir wohnen, begrüße sie herzlich und lass sie wissen, dass sie willkommen sind.

Aber mach es dir nicht zur Aufgabe, dich rund um die Uhr mit diesen Gästen befassen zu müssen. Wenn du während ihrer Anwesenheit rausgehen und Spaß mit Freunden haben willst, die dir gut tun, dann gestehe dir auch das zu.

  • “Aber hat das nicht etwas von Egal-Einstellung, wenn ich trotz negativer Umstände einfach aufs Positive schaue?”

 

5) Egal-Einstellung

Obwohl ich weiter oben das Egal-Sein erwähnt habe, ist Loslassen nicht einfach eine Scheiß-Egal-Einstellung.

Loslassen bedeutet nicht, dass es dich nicht interessiert, wie eine Sache ausgeht.

Hier treffen wir auf den wichtigen Unterschied zwischen ernst sein und aufrichtig sein, der beim Umsetzen des Loslassens nochmal eine wichtige Rolle spielen wird.

Du kannst aufrichtig an dem Ergebnis einer Sache interessiert sein und musst sie dennoch nicht ernst nehmen!

Ernst im Sinne davon, dass sie dir wieder so wichtig wird, dass du automatisch die negativen Alternativen zu vermeiden suchst und dich dadurch wieder auf das Negative konzentrierst.

 

Loslassen heißt Aufrichtig sein

Loslassen bedeutet, sich mit Eifer und Freude einer Sache widmen zu können und auch mit (Vor-)Freude an ihr Ergebnis denken zu können, dieses Ergebnis aber nicht ernst zu nehmen.

Wenn es nicht eintritt, verursacht es dir kein Leid und wenn es doch eintritt, kannst du es als Bonus genießen.

Es ist eine gewisse Leichtigkeit, mit der du die Dinge nimmst. Manche würden auch sagen, es ist Humor.

Humor bedeutet nicht direkt, dass du dich über etwas lustig machst oder es ins Lächerliche ziehst. “Humor ist, wenn man trotzdem lacht”, heißt es. Und genau das bedeutet es auch:

Wenn du Dinge zwar aufrichtig, aber dennoch locker genug nehmen kannst, um trotzdem zu lachen.

Beides, der Ernst, wie auch der Humor, gehen ebenfalls wieder auf unser Ego zurück. Jemand dessen Ego zu groß und wichtig ist, nimmt vieles und vor allem sich selbst viel zu ernst.

Humor ist vor allem auch immer, wenn man über sich selbst lachen kann und sich selbst nicht so ernst nimmt. Auch das wird im weiteren Verlauf eine wichtige Rolle spielen.

  • “Aber dann gebe ich doch auf, wenn ich akzeptiere, dass auch ein Scheitern in Frage kommt!”

 

6) Aufgeben oder als Verlierer dastehen

Sehr viele Menschen haben auch intuitiv den Eindruck, dass Loslassen gleichzusetzen mit Aufgeben oder Verlieren ist.

  • Wir lassen etwas los, weil wir dem nicht mehr gewachsen waren.
  • Wir geben uns geschlagen.
  • Wir erkennen unsere Niederlage an.

Das kommt durch die sogenannte Verlustaversion.

Wir haben vielleicht Jahre an Kosten und Mühen, unserer Lebensenergie und schlaflose Nächten in diese Sache investiert. So viel Blut, Schweiß und Tränen stecken in der Verwirklichung eines Traums oder dem Behalten einer Ansicht oder eines Partners.

Wenn wir nun daran denken, diese Ansicht, diesen Traum oder diesen Menschen loszulassen, erscheint es ganz nachvollziehbar als Aufgeben.

“Wozu habe ich dann all die Jahre so hart gekämpft? Was habe ich jetzt davon?”

Aber Leben und Lieben ist nicht kämpfen! Und Loslassen ist nicht aufgeben:

 

Loslassen heißt unabhängig sein

Loslassen bedeutet, sich frei machen. Frei machen von dieser Abhängigkeit, dein Leben diesem Traum, dieser Ansicht, diesem Menschen unterordnen zu müssen.

Es bedeutet nicht, dass du keine Träume haben darfst, keine Pläne schmieden und keine Menschen mehr lieben darfst.

Das alles ist normal und wichtig für unser Leben.

Aber es bedeutet, dich, dein Glück und dein Wohlbefinden nicht abhängig zu machen von diesen Dingen.

  • Wenn dein Traum in Erfüllung geht und dein Bankkonto explodiert, lass nicht dein Leben mit ihm explodieren.
  • Wenn dein Traum scheitert, lass nicht dein Leben mit ihm scheitern.
  • Wenn du betrunken vor Liebe umher taumelst, lass nicht dein Leben umher schwanken.
  • Wenn deine Beziehung in die Brüche geht, lass nicht dein Leben mit in die Brüche gehen.

Das ist Loslassen.

Es bedeutet, sich unabhängig vom Verlieren oder Gewinnen in irgendeiner Form zu machen. Die Herausforderung, das Tun selbst, das Leben zu genießen, egal, ob das Ergebnis ein Sieg oder eine Niederlage wird.

Paradoxerweise verlierst du dadurch nichts, sondern gewinnst in der Regel etwas unbezahlbares:

Gelassenheit, Lebensfreude und Glück.

In vielen Fällen gewinnst du sogar das, was du zu verlieren fürchtetest, wenn du wirklich loslässt. Eben weil du nicht mehr festhältst und dich selbst sabotierst. Auf diese Paradoxie gehen wir später noch einmal genauer ein.

  • “Aber ist es nicht trotzdem irgendwie ein Nachgeben und sich geschlagen geben?”

 

7) Nachgeben

Loslassen bedeutet nicht, dass du in einem Streit nachgeben oder dich geschlagen geben musst.

Es bedeutet viel mehr, dass dein Glück nicht mehr vom Ausgang dieses Streites abhängig ist.

Im Streit, hat unser Ego meist die Oberhand. Und oft schießt es mit giftigen Wort-Pfeilen um sich, nur um am Ende als Sieger dazustehen. Der Wahrheitsgehalt wird nebensächlich.

Wenn du loslässt, gibst du dich nicht geschlagen.

 

Loslassen heißt das Ego überwinden

Du ziehst damit dein Ego aus der Arena zurück, das wie ein verwundetes Tier blind vor Zorn um sich kratzt und beißt.

Dafür schickst du deine Intuition ins rennen, die frisch und klar urteilen und unbefangen von Angriffen gegen dein Ego bleibt.

Dies gibt dir in den meisten Auseinandersetzungen sogar einen unfairen Vorteil, da du viel klarer siehst und argumentierst als dein Gegenüber und sein Ego während des Streits entlarven kannst.

  • “Aber bedeutet Loslassen nicht, seine Ziele und Pläne aufzugeben und nur noch zu nehmen, was kommt?”

 

8) Ziel- und planlos leben

Loslassen bedeutet nicht, dass du keine Pläne mehr machen sollst und keine Ziele mehr haben darfst.

Es ist wichtig, sich Ziele zu setzen und auch an die Zukunft zu denken. Das zeichnet uns Menschen aus und so haben wir die Jahrhunderte überdauert.

Der feine Unterschied besteht darin, dass du dein Glück nicht davon abhängig machst, ob diese Dinge dann auch so eintreffen.

Ich nenne das immer gerne “es als Bonus ansehen”.

Auf einen Bonus kannst du dich auch freuen und darauf hinarbeiten, aber wenn du ihn dann doch nicht bekommst, hast du nichts verloren. Es fehlt dir nichts zu deinem Glück, denn der Bonus wäre ja nur noch obendrauf gekommen. Du hast das Ergebnis nicht als Erwartung fest in deinem Geist verankert.

Und falls das gewünschte Ergebnis doch eintrifft, kannst du dich trotzdem freuen.

Merkst du den großen Unterschied?

 

Loslassen heißt im Moment leben

Wenn du loslässt, kannst du dein ganzes Leben lang beständig glücklich sein und bist unabhängig von den äußeren Umständen.

Wenn du festhältst, kannst du immer nur in den kurzen Augenblicken der Erfüllung deiner Wünsche glücklich sein und gehst auch noch das Risiko ein, eine herbe Enttäuschung zu erleben und tot unglücklich zu sein.

Paradoxerweise wirst du sogar bessere Chancen haben, deine Ziele zu erreichen, wenn du jetzt schon unabhängig von ihnen glücklich bist, als wenn du dein Herz mit schweren Ketten daran fesselst.

Warum?

 

Warum du deine Ziele sogar besser erreichst, wenn du loslässt

Weil du so deinen Fokus und deine Energie voll und ganz auf dein Vorhaben richten kannst und sie nicht mehr damit verschwendest, ständig an dein Ziel zu denken und dir auszumalen, wie schön es sein wird oder sein Nichterreichen zu befürchten.

Genau deshalb erledigst du deine Aufgabe am Ende besser und erreichst dein Ziel viel eher. Weil du es wegen des Tuns und nicht wegen des Ergebnisses gemacht hast.

Du kennst das sicher auch aus deinem Leben:

  • Handwerker, die nur auf die Bezahlung aus sind, liefern meist schlechte Arbeit ab. Die, die ihren Job von Herzen gerne tun, machen großartige Arbeit und werden gerade deshalb meist noch besser entlohnt.
  • Köche, die nur wegen des Geldes kochen, verzaubern unseren Gaumen nur selten. Solche, die lieben, was sie tun und wegen des Kochens und Essens selbst kochen, erschaffen die wundervollsten Gaumenfreuden und werden fürstlich dafür entlohnt.

Wenn du etwas tust, nur um einen Lohn zu erhalten, gibst du dir meist weniger Mühe und bekommst am Ende auch nur den Lohn, den du verdienst.

Tust du es aber leidenschaftlich gerne und mit ganzem Herzen, wird es großartig und du bekommst mehr, als du jemals verlangt hättest.

Wenn du etwas nur tust, um ein gewisses Ergebnis damit zu erreichen, schmälert das die Chancen, es wirklich zu erreichen!
  • “Aber bedeutet Loslassen dann nicht, bewusst stehen zu bleiben und sich nicht mehr weiterzuentwickeln?”

 

9) Stehenbleiben und sich nicht weiterentwickeln

Loslassen bedeutet nicht, dass du dich nicht weiterentwickeln oder nach Höherem streben darfst.

Im Gegenteil, denn Loslassen ermöglicht es dir meist sogar erst, dass du dich anderen Dingen oder Höherem wahrhaft zuwenden kannst:

 

Loslassen heißt die Angst zu überwinden

Dein Festhalten am Status Quo oder an irgendwelchen anderen Bedingungen ist es meist, das dein Wachstum verhindert.

Weil wir Angst vor der Höhe haben, bleiben wir am Boden.

Loslassen bedeutet diese Angst, bzw. ihren Ursprung, das Ego, loszulassen und so erst wirklich offen und bereit für eine Entwicklung zu sein.

  • “Aber in gewisser Weise bedeutet Loslassen doch, das Schicksal einfach zu akzeptieren und sich ihm auszuliefern?”

 

10) Das Schicksal akzeptieren und sich willenlos ausliefern

Loslassen bedeutet nicht, dass du dich dem Schicksal, dem Lauf der Dinge oder dem großen Manitu ergibst.

Es bereitet uns ein Gefühl von Hilflosigkeit und ausgeliefert sein, wenn wir in dieser Weise empfinden. Das ist nicht loslassen, das ist Kapitulation.

Wahrhaft loszulassen bedeutet nichts von all dem.

 

Loslassen heißt vertrauen

Es bedeutet, dem Leben zu vertrauen, sich dem Lauf der Dinge hinzugeben und zu erkennen, dass alles seinen Gang geht und in bester Ordnung ist.
  • “Aber lähmt mich das Loslassen damit nicht, wenn ich einfach nur auf den Lauf der Dinge vertraue?”

 

11) Gelähmt sein oder nicht Handeln

Eines der größten Vorurteile gegen das Loslassen ist, dass es mit Passivität gleichgesetzt wird.

Viele von uns denken, dass es bedeutet, nicht mehr einzugreifen und einfach tatenlos zuzusehen, wie die Dinge ihren Lauf nehmen.

Die chinesische Bezeichnung „Wu Wei“ bzw. „Handeln durch Nicht-Handeln“ legt diese Vermutung ja auch nahe.

Aber auch das ist nicht wahr.

Wahres Loslassen, Wu Wei oder Handeln durch Nicht-Handeln bedeutet nicht, dass du gar nicht mehr handeln sollst:

 

Loslassen heißt intuitiv handeln

Es bedeutet, dass du das Handeln nicht mehr dem Teil in dir überlassen sollst, der für dein Leid und deine Probleme verantwortlich ist: deinem Ego.

Du darfst und sollst in der Welt handeln. Das haben wir ja schon beim schlagenden Ehemann gesehen. Das Zauberwort ist auch hier wieder die Intuition.

Der Verstand, das Ego, verursacht das gelenkte Handeln, Yu Wei oder Festhalten, das zu deinen Problemen führt. Beispielsweise lässt er die geschlagene Ehefrau aus Angst bei ihrem schlagenden Ehemann bleiben.

Die Intuition in uns ist die Quelle des Handelns durch Nicht-Handeln. Die sagt dir sofort, dass du nicht so mit dir umgehen lassen solltest und will, dass du dich wehrst oder fliehst.

Loslassen bedeutet nicht, tatenlos zuzusehen. Es bedeutet zu handeln, aber intuitiv, nicht vom Ego beeinflusst, dass uns manipuliert und sabotiert.

  • “Kann ich das Loslassen dann also bewusst einsetzen und als Joker verwenden, um zu bekommen, was ich will?”

 

12) Berechnend und taktierend Handeln

Loslassen ist kein taktischer Rückzug!

Es bedeutet nicht, dass du den Anschein erweckst, etwas losgelassen zu haben, mit dem Ziel, damit etwas zu bezwecken (z.B. deinen Ex zurückzugewinnen).

Sobald du etwas bezwecken willst, ist das ein zielgerichtetes Handeln und damit Yu Wei bzw. Festhalten.

Das ist eine geistige Zwickmühle, auf die wir im nächsten Teil des Buches sehr genau eingehen werden.

Du kannst das Loslassen nicht als Mittel zum Festhalten benutzen!

 

Nochmal: Loslassen heißt intuitiv sein

Loslassen bedeutet wirklich ohne Hintergedanken zu handeln. Spontan, quasi aus dem Bauch heraus. Deinem Herzen folgend.

Dies ist eine der größten Hürden auf dem Weg zum wahren Loslassen, denn wir alle haben ja ein Ziel im Sinn. Wir wollen das Loslassen lernen, um damit unser Ziel zu erreichen, ein Problem zu lösen oder uns vom Leid zu befreien. Damit stehen wir uns selbst im Weg. Also kann es am Ende gar nicht funktionieren, das Loslassen anzuwenden, oder?

Doch, und wir werden uns in Kürze ganz genau anschauen, wie wir diese Zwickmühle überwinden können.

Dazu musst du aber verstehen, dass das Loslassen sich nicht austricksen lässt.

Loslassen ist wie eine dieser Waffen aus Fantasy-Geschichten:

In der Hand eines Helden mit reinem Herzen und guter Absicht, erlegt sie jeden noch so mächtigen Feind. Doch wenn sie zu einem niederen Zweck missbraucht werden soll, wird sie nutzloser als ein Zahnstocher.
  • “Aber gebe ich damit nicht die Kontrolle ab und verliere jeglichen Halt, wenn ich keinen Zweck mehr verfolge?”

 

13) Die Kontrolle abgeben und den Halt verlieren

Loslassen bedeutet nicht, dass du völlig rückhaltlos umher geworfen wirst und gar nichts mehr hast, an dem du dich festhalten darfst.

Nein:

 

Loslassen heißt sich hingeben

Es bedeutet, dass du aufhörst, Halt zu suchen in Dingen, die ihn dir sowieso nicht wirklich bieten können und ihn dort findest, wo er wirklich existiert. Im Vertrauen.

Im Vertrauen auf dich selbst, auf das Leben und den Lauf der Dinge.

Auch darauf werden wir später ebenfalls genauer eingehen.

  • “Aber löse ich mich damit nicht völlig von allem und jedem ab und bin vollkommen auf mich allein gestellt?”

 

14) Völlige Loslösung von allem und jedem

Loslassen bedeutet nicht, dass du dich völlig von allem und jedem löst, keine Emotionen mehr verspürst und leer wie ein Geist durchs Leben schwebst.

Loslassen bedeutet Lockerheit.

Wenn die Dinge “locker sitzen”, haben sie den größten Wert für uns:

  • Das Rad auf einer Achse dreht sich am besten, wenn es nicht zu fest sitzt, aber es bleibt auf der Achse, wenn es nicht zu lose sitzt.
  • Unsere Schuhe drücken nicht und sind am bequemsten, wenn sie nicht zu eng sind. Aber sie bleiben nur am Fuß und erfüllen ihren Zweck, wenn sie nicht zu groß sind.
  • Ein Gürtel schnürt nicht ein und fühlt sich bequem an, wenn er nicht zu eng gezogen ist. Aber er erfüllt nur seinen Zweck und hält die Hose auf der Hüfte, wenn er nicht zu lose ist.

 

Loslassen heißt locker sein

Wenn etwas zu “fest” ist, erzeugt es immer Probleme, Leid und Schmerz.

Wenn etwas zu lose ist, erfüllt es gar keinen Zweck mehr.

Loslassen ist die Mitte, die Lockerheit, die Wohlfühlzone dazwischen.

Erinnerst du dich an die Begriffe “ernst” und “egal”, die bisher schon mehrfach gefallen sind?

  • Etwas zu ernst zu nehmen, ist den Gürtel zu eng zu schnallen.
  • Wenn einem etwas egal wird, hat man den Gürtel zu weit eingestellt.

Loslassen ist weder das eine, noch das andere. Deshalb nennen Buddhisten es auch gerne den mittleren Weg.

  • “Aber ist das nicht sehr anstrengend und mühselig, immer diese Balance zu wahren und etwas loszulassen, das mir am Herzen liegt?”

 

15) Anstrengend oder unnatürlich

Die allgemeine Auffassung ist, dass Loslassen sehr schwer und mühselig ist.

Carmen, eine Leserin meines Blogs, stellte mir dazu folgende Frage:

“Ist es nicht seltsam, dass Loslassen viel anstrengender ist als Festhalten? Zum Beispiel kostet es mehr Kraft, eine Flache festzuhalten, als sie loszulassen.”

Nein.

Es ist nicht seltsam, weil es in Wahrheit gar nicht so ist.

Wir haben nur diesen Eindruck, dass das Loslassen etwas schweres und anstrengendes sei, weil wir es immer bewusst “praktizieren” oder “tun” wollen.

Genau das ist aber nicht wirkliches Loslassen, sondern wieder Festhalten bzw. “willentliches Herbeiführen”, weil man versucht loszulassen, um etwas zu bezwecken.

Das ist wie die Flasche mit Absicht loszulassen, damit sie kaputt geht und du eine neue bekommst. Es kostet mehr Überwindung, als sie einfach festzuhalten, weil du innerlich immer noch an ihr festhältst.

Es entsteht ein innerer Konflikt.

Du tust etwas, das mit deiner inneren Einstellung nicht zusammenpasst und deshalb ist es so anstrengend.

Genau das ist der Grund dafür, warum wir oft Menschen nicht loslassen können, die wir lieben und wir der Meinung sind:

„Ich kann ihn nicht loslassen! Es geht einfach nicht!“

Dahinter steckt wieder eine gedankliche Zwickmühle, auf die wir wie schon mehrfach erwähnt, im nächsten Teil des Buches eingehen und auch eine Lösung finden werden.

 

Wahres Loslassen ist immer Selbstzweck

Es bedeutet, etwas oder jemanden in der Form loszulassen, dass du nicht mehr abhängig von ihm bist. Innerlich.

​​Es spielt keine Rolle, ob die Flasche dann äußerlich zu Boden fällt und zerbricht oder in einer Vitrine steht und 100 Jahre lang aufbewahrt wird, weil du sie innerlich losgelassen hast.

Und dennoch klingt es sehr anstrengend, dieses innerliche Loslassen, oder?

Ja, weil du es bewusst tun willst.

 

Wahres Loslassen ist leicht

Etwas bewusst zu tun, das der Verstand nicht versteht, kostet uns alleine schon in der Vorstellung extrem viel Energie.

Es ist, als würdest du versuchen sämtliche innere Prozesse deines Körpers bewusst auszuführen: Atmung, Verdauung, Durchblutung, Herzschlag, das Wachsen deiner Haare und Fingernägel, etc. und das alles gleichzeitig.

Klingt extrem anstrengend, oder?

Und dennoch tust du es. In dieser Sekunde. Fühlt es sich anstrengend an?

Nein. Weil du es nicht auf der bewussten Ebene tun musst, sondern es auf der des Überbewusstseins geschehen lässt.

So ist es auch mit dem Loslassen. Du musst es nur geschehen lassen. Es liegt in unserer Natur.

 

Der Weg des Wassers: Warum Loslassen in unserer Natur liegt

“Das Wasser strengt sich nicht an, um flüssig zu sein; es ist seine Eigenschaft. So kann die Tugend des vollkommenen Menschen, ohne dass er sich ihrer befleißigt, durch nichts aus ihrer Bahn gelenkt werden. Der Himmel ist hoch, die Erde fest, Sonne und Mond sind hell. Befleißigen sie sich dieser Eigenschaften?“

(Chuang-tzu 21, tr. H. A. Giles, S. 268.)

Loslassen ist unser natürlicher Zustand.​​

So wie es die natürliche Eigenschaft des Wassers ist, zu fließen, so ist es unsere natürliche Anlage, loszulassen.

Deshalb müssen wir es nicht herbeiführen, sondern nur zulassen.

Wir haben es nur verlernt!

Von Kindesbeinen an lernen wir nämlich das komplette Gegenteil: Dinge aktiv herbeizuführen, sie bewusst zu kontrollieren und damit festzuhalten.

Es geht also paradoxerweise beim Loslassen eher darum, das Festhalten zu beenden, als das Loslassen aktiv herbeizuführen.

Das Loslassen an sich kommt quasi von selbst und mühelos.

Der Weg dorthin mag beschwerlich sein, weil wir immer wieder festhalten wollen, aber das Loslassen an sich ist überhaupt nicht anstrengend, sondern sogar befreiend.

  • Wenn du etwas wirklich loslässt, fühlt es sich leicht und befreiend an, wie wenn du einen schweren Rucksack ausziehst und zurücklässt, in dem sowieso nur unnötiger Plunder war.
  • Wenn du nur vorgibst loszulassen und in Wirklichkeit immer noch an etwas festhältst, fühlt es sich sehr schwer und anstrengend an, wie wenn du dein Baby irgendwo zurücklassen sollst.

(Danke an Tim von MyMonk für diese Metapher)

Es ist anstrengend und vergeblich, „wie Wellen mit einem Bügeleisen glätten zu wollen“, wie der berühmte Philosoph Alan Watts einmal sagte.

 

Was Loslassen wirklich bedeutet

Ok, wir haben jetzt anhand einiger Beispiele herausgefunden, was Loslassen alles nicht ist. Aber was bedeutet Loslassen denn nun wirklich? Kurz und knapp und auf den Punkt?

Wenn wir all die obigen Eigenschaften des Loslassens zusammen nehmen, können wir es sehr gut mit einem anderen Begriff gleichsetzten, den wir sehr gut kennen und verstehen.

Welcher das ist und wie er uns das Verständnis und damit auch das Loslassen selbst erleichtert, schauen wir uns im nächsten Beitrag an:

Was bedeutet Loslassen wirklich? (Und wie gelingt es?)

 

Fazit

Der Grund, warum wir nicht loslassen können ist, dass wir damit viele negative Dinge verbinden.

Dies sind aber meist Missverständnisse, die aus einem falschen Verständnis des Wortes resultieren:

Loslassen bedeutet nicht …

  • Verbannen
  • Probleme zu ignorieren
  • Hinnehmen und Opfer sein
  • sich schlecht zu fühlen
  • eine Egal-Einstellung zu entwickeln
  • aufzugeben oder als Verlierer dazustehen
  • Nachgeben
  • ziel- und planlos leben
  • stehenzubleiben und sich nicht mehr entwickeln
  • das Schicksal zu akzeptieren
  • gelähmt sein
  • berechnend und taktierend zu handeln und es als Mittel zum Festhalten zu benutzen
  • die Kontrolle abzugeben und den Halt zu verlieren
  • sich völlig von allem und jedem zu lösen
  • angestrengt einen Zustand herbeiführen zu wollen, der deiner inneren Einstellung komplett entgegen deine innere zu deiner wahren Natur zu steht

Es bedeutet sogar das Gegenteil all dieser Dinge!

P.S.: Wie hat dir dieses weitere Probekapitel aus meinem Buch über das Loslassen gefallen? … Bin ich auf der richtigen Spur oder komplett auf dem Holzweg? Hinterlasse doch bitte einen Kommentar!