„Ego oder Selbst – Wer bestimmt mein Leben?“ (Selbstfindung Teil 3)
Ego und Selbst.
Wer dominiert in deinem Leben?
Im dritten Teil der Reihe finden wir zusammen heraus wie und wo Selbst und Ego in unserem Leben wirken.
Anhand einiger Beispiele zeige ich dir, ob Selbstfindung auch für Dich erstrebenswert ist.
Hier findest du die komplette Reihe:
- „Wer oder was ist eigentlich mein wahres Selbst?“
- Wie du mit einem einfachen Trick dein wahres Selbst erkennen kannst
- „Ist mein Leben vom Ego oder vom Selbst bestimmt?“
- Wie du endlich dein wahres Selbst findest
Inhaltsverzeichnis
„Egolution“ – Das Ego im Laufe der Zeit
Um die Wirkung deines Egos gleich besser nachvollziehen zu können, gehen wir kurz auf seine Wandlung im Laufe der Zeit ein.
Der Begriff Ego ist an sich etwas negativ behaftet, findet er doch Verwendung in Wörtern wie „egoistisch“ oder „egozentrisch“.
Das Ego an sich ist aber keine schlechte Sache, wie wir in Teil 1 schon erkannt haben.
Es ist ein Aufpasser, Identifikator und Problemlöser. Manchmal sind diese Funktionen jedoch auch hinderlich, wie wir gleich sehen werden.
Am Anfang war die Selbsterhaltung
Die Funktion des Aufpassers musste das Ego schon sehr früh übernehmen.
Denke einmal an gefährliche Situationen, in denen das Leben in Gefahr ist. Hier hat das Ego eine Eigenschaft entwickelt, die trefflicher nicht heißen könnte – der Selbsterhaltungstrieb.
Wenn unser Leben in Gefahr ist, haben wir Angst, dass unsere Persönlichkeit ausgelöscht werden könnte.
Heute sind solche lebensgefährliche Situationen für eine Vielzahl an Menschen eher selten geworden.
Für unsere Vorfahren jedoch waren sie reichlich. Säbelzahntiger im Gebüsch oder feindliche Stämme in der Nachbarschaft waren eine ständige Gefahr für das eigene Selbst, wie Viren und Schadprogramme im Internet.
Da ist es nicht verwunderlich, dass das Ego neben dem Selbsterhaltungstrieb auch die folgende Eigenschaft entwickelte:
Gruppenzugehörigkeit
Es hat den Drang dazu entwickelt zu einer Gruppe dazugehören zu wollen.
Das war eine schlaue Entscheidung, denn viele Egos können sich besser verteidigen als ein einzelnes.
Als Überbleibsel aus diesen Tagen haben wir immernoch dieses Bedürfnis Gruppen angehören zu wollen. Als soziale Wesen ist das natürlich zunächst mal etwas gutes.
Manchmal steht uns das Ego allerdings mit dieser Eigenschaft im Wege.
Die Angst vor der Ablehnung der Gruppe ist im Ego so groß, dass es uns heute für viele Dinge hinderlich wird.
Hast du schon einmal einen Vortrag vor einer größeren Gruppe Menschen halten müssen? Dann weißt du was ich meine…
Wunsch nach Anerkennung
Und nicht nur die Angst ist unheimlich groß geworden im Ego.
Auch der Wunsch nach Anerkennung und Ansehen in der Gruppe macht uns heute das Leben schwer. Auch dieser hat seinen Ursprung im Selbsterhaltungstrieb unserer Vorfahren.
Selbsterhaltung, im weiteren Sinne, ist nämlich auch die Erhaltung des Stammbaumes, also die Zeugung von Nachkommen.
In der Gruppe ist es natürlich so, dass die angesehensten Männchen am meisten Chancen haben und die angesehensten Weibchen am meisten begehrt werden.
Im Laufe der „Egolution“ hat das dazu geführt, dass wir heute alle um die Wette arbeiten um reicher und angesehener zu werden.
Notwendig ist es nicht, aber in unserem Ego verankert. Das Programm funktioniert, also wird es angewandt.
Warum schreibe ich nun so viel über das Ego, wo es doch um die Findung des Selbst geht?
Wie wir in Teil 2 herausgefunden haben, können wir das Selbst nicht richtig greifen und untersuchen. Daher müssen wir uns bei unseren Untersuchungen auf das beschränken, was wir erfassen und be-greifen können. Das Ego.
Wirkung von Ego und Selbst in deinem Leben (Beispiele)
Um die Auswirkungen von Ego und Selbst in deinem Leben zu veranschaulichen, habe ich ihre Reaktionen in sieben verschiedenen Situationen gegenübergestellt, in die du dich vielleicht mehr und vielleicht weniger hineinversetzen kannst:
1. Du wirst von einem Bettler nach einem Euro gefragt.
- Das Ego ist hochmütig und verständnislos. Es kennt nur den eigenen Lebensweg (z.B. über harte Arbeit). Bevor es dem Bettler einen Euro geben würde, gäbe es ihm lieber den Ratschlag arbeiten zu gehn.
- Das Selbst hat Verständnis und Mitgefühl. Es interessiert sich für die Lage des armen Mannes, wie für seine eigene. Über den Euro hinaus schenkt es ihm verständnisvolle Gesten.
2. Ein Freund bittet dich ihm eine größere Summe Geld zu leihen.
- Geld ist Teil unseres Egos und kein Ego gibt gerne einen Teil von sich ab. Es sträubt sich dagegen und hat Angst das Geld nicht wieder zu bekommen.
- Das Selbst genießt es dem Freund zu helfen. Es hat keine Angst etwas zu verlieren, sondern weiß, dass es nur gewinnen kann. Es steckt in jedem von uns und hilft sich damit sogar selbst.
3. Du (in diesem Fall männlich) wirst von einer hübschen, jungen und sehr betrunkenen Frau angesprochen.
- Das Ego nutzt die Situation schamlos aus und verführt die willenlose Dame.
- Das Selbst kümmert sich um sie und bringt sie wohlbehalten nach Hause – ohne sie anzurühren.
4. Jemand beleidigt oder kränkt dich.
- Das Ego wird rasend, will kontern und es ihm heimzahlen – doppelt und dreifach!
- Das Selbst hat Verständnis und erkennt sich selbst im Gegenüber. Alle Angriffe laufen ins Leere.
5. Ein neues Smart-Phone wird auf den Markt gebracht, das minimal größer / kleiner / schneller / glänzender oder sonstwas ist, als das Modell, das du bereits besitzt.
- Das Ego muss es haben. Es will sein Ansehen steigern, sich aufwerten und individueller machen. Und wenn in 2 Jahren das nächste Modell rauskommt, muss es auch dieses besitzen. Es hat nie genug.
- Das Selbst ist sich selbst genug. Man kann ihm nichts nehmen und nichts hinzufügen. Es hat alles was es zum Glücklichsein braucht. Es ist in der Lage alles was es besitzt auch wirklich zu genießen, da ihm der Verlust nichts ausmachen würde.
6. Dein Nachbar, der noch nie im Leben hart gearbeitet hat und dich schon oft genug angepumpt hat, hat im Lotto gewonnen und fährt gerade mit einem Ferrari vor.
- Das Ego verflucht ihn. Es kann ihm den Gewinn nicht gönnen und weiß, dass er es nicht verdient hat.
- Das Selbst freut sich über das große Glück des Nachbarn und gönnt ihm den Gewinn von ganzem Herzen.
7. Du bemerkst in der Bahn, dass hinter dir drei Jugendliche ein Mädchen bedrängen.
- Das Ego tut so als hätte es nichts bemerkt. Es hat Angst selbst ins Visier der Halbstarken zu geraten und dass ihm etwas passieren könnte.
- Das Selbst empfindet Mitgefühl für alle (Täter und Opfer). Durch Verständnis für beide Seiten kann es die Situation entschärfen.
Welches Verhalten trifft auf dich zu?
Falls du nun erschreckend feststellst, dass du scheinbar ein purer Egoist bist und dein Ego in fast allen Bereichen die Oberhand hat, kann ich dich beruhigen. Das ist die Regel und mir geht es genauso.
Dein Ego hat einfach im Laufe deines Lebens das gemacht, was es sollte und ist gewachsen.
Du wirst aber sicherlich auch festgestellt haben, dass das Selbst etwas erhabenes und erstrebenswertes ist.
Die obigen Ego-Reaktionen scheinen teilweise recht gravierend und alle sehr egoistisch.
Tatsache ist, dass ich in den sieben Beispielen die sieben Todsünden versteckt habe. Sie alle haben folglich ihren Ursprung im Ego.
Glaubst du nicht? Vergleiche doch mal die obigen Reaktionen des Egos mit dieser Liste.
- Hochmut
- Geiz (Habgier)
- Wollust (Genussucht)
- Zorn (Wut, Rachsucht)
- Völlerei (Selbstsucht, Maßlosigkeit)
- Neid (Eifersucht, Missgunst)
- Faulheit (Ignoranz)
Nun muss es uns noch erstrebenswerter erscheinen unser Ego zumindest etwas zu reduzieren und mehr Raum für unser Selbst zu schaffen.
Verbindung zum Christentum
Hier wird auch das in Teil 2 angekündigte Verständnis von Ego und Selbst im Christentum deutlich:
Wenn zum Beispiel Johannes der Täufer sagt “Ich muss abnehmen, Er [Gott] muss wachsen.”, könnten wir ebenso interpretieren: “Das Ego muss abnehmen, das Selbst muss wachsen.”
Es zeigen sich auch Parallelen zu der christlichen Vorstellung vom „Paradies„, denn wo keine Sünden mehr sind, da kann das Paradies nicht weit sein.
So können wir auf der einen Seite vermuten, dass nach unserem Tod, und somit dem Tod des Egos, automatisch ein paradisischer Zustand eintritt.
Andererseits, dass dieser Zustand auch schon zu Lebzeiten durch Verminderung der Wirkung des Egos herbeigeführt oder zumindest angenähert werden kann.
„Wer mit sich selbst einig ist, der ist auch mit allen anderen einig.“
(Unbekannt)
Fazit
Mach dich mit dem Wesen deines Egos und deines Selbst vertraut.
Beobachte sie im Alltag und vergegenwärtige dir wer gerade aktiver ist.
Wenn du merkst, dass dein Ego es mal wieder übertreibt, frage dich einfach „Wie würde mein Selbst jetzt reagieren?“.
Auch bei deinen Mitmenschen kannst du nun erkennen, ob sie in einer Situation eher vom Ego oder ihrem Selbst geleitet sind.
So kannst du ihre Reaktionen nachvollziehen und verstehen, ohne sie zu bewerten.
P.S.: In welchen Situationen ist bei dir eher dein Ego und in welchen dein Selbst aktiv?