Was ist eine offene Beziehung? (6 überraschend unterschiedliche Varianten)
Was ist eine offene Beziehung?
Einfach Sex haben mit wem man will? Falsch!
Nils Terborg, Beziehungscoach und Autor, erklärt uns 6 verschiedene Varianten der offenen Beziehung und was sie unterscheidet.
Auch wenn das Thema offene Beziehung generell nichts für dich ist, lohnt es sich weiterzulesen. Nils behandelt in seinem Gastbeitrag wichtige Beziehungsgrundsätze, die auch auf herkömmliche Paarbeziehungen zutreffen:
Das Thema Offene Beziehung liegt im Trend und interessiert längst nicht nur junge und hippe Menschen.
Und wie das bei Trends oft so ist: Oft überholen sie sich selbst. Hier entsteht dadurch das Problem, das jeder sofort etwas mit dem Begriff einer offenen Beziehung anfangen kann, dann aber trotzdem jeder etwas sehr unterschiedliches darunter versteht.
Daher klären wir im Folgenden die wichtigsten Varianten, die sich hinter dem Label offene Beziehung verbergen können.
Inhaltsverzeichnis
Was ist eine Offene Beziehung genau?
Wir können uns dem Begriff hier leicht durch Abgrenzung nähern:
Die übliche Auffassung einer Beziehung beinhaltet die Regel, dass man nur mit dem Partner sexuelle Erlebnisse haben darf. Wenn einer der Partner gegen diesen Vorsatz verstößt, dann folgt oft das Ende der Beziehung.
Wer eine offene Beziehung führt, sieht das grundsätzlich anders: Sex mit anderen ist hier erlaubt. Wie oft, unter welchen Umständen und wie genau – das sind allerdings Fragen, an denen sich dann wieder die Geister scheiden. Welche Varianten es da gibt, das stelle ich dir in den folgenden Zeilen vor.
Variante #1: Don’t ask don’t tell!
Trifft das Paar eine solche Absprache, dann wird es geduldet, wenn mal „was passiert“. Sprich: Wenn einer der beiden Sex (oder andere Intimitäten) mit einer anderen Person erlebt. Weil sich die Partner aber, häufig aus Gründen der Eifersucht schwer tun, offen über solche Erlebnisse zu sprechen, wird vereinbart, diese nicht anzusprechen.
Diese Variante kann sehr hilfreich sein, um sich an das Thema ranzutasten. Und um herauszufinden, ob die offene Beziehung überhaupt zu den Bedürfnissen des Paares passt.
Langfristig ist diese Variante aus meiner Sicht aber problematisch, weil mit Sex ein sehr wichtiger Lebensbereich aus der Beziehung ausgeblendet wird. Und natürlich, da Beziehungen generell von einem gewissen Maß an Offenheit profitieren.
Variante #2: 100% Transparenz
Es gibt auch Paare, die ganz offen mit ihren Erlebnissen umgehen. Dabei reicht das Spektrum von „du Schatz, ich war gerade bei Holger und wir hatten Sex – nur damit du Bescheid weißt!“ bis hin zu detaillierten Gesprächen über die außerpartnerschaftlichen Erlebnisse.
Diese Gespräche konfrontieren natürlich mit der eigenen Eifersucht, werden aber auch von vielen Paaren als interessant, erregend und inspirierend wahrgenommen.
Auch wenn es für viele nicht ganz leicht nachzuvollziehen ist:
Durch den offenen Umgang werden sexuelle Erlebnisse mit anderen hier nicht aus der Partnerschaft ausgegrenzt. Stattdessen bleiben sie so Teil der Beziehung. Zumindest in der Theorie kann das die Liebe sogar beleben und bereichern.
Variante #3: Gelegentliche Seitensprünge
Die Kommunikation über Sex mit anderen ist die eine Sache. Die Frage, wie intensiv man die Sexualität mit anderen auslebt, ist die andere.
Hier reicht die Skala von „wenn mal was passiert, dann soll das bitte kein Drama sein“ bis hin zu „ich liebe es, ab und zu einen One-Night-Stand zu haben, treffe meine Sexpartner danach aber nicht weiter“.
Hier wird ein Problem deutlich: Wer probiert, eine offene Beziehung zu führen, ohne sich genau darüber zu verständigen, was das nun im Detail heißt, riskiert unnötige Verstimmungen. Vielleicht ist Partner A vor allem die Freiheit wichtig, sich auch mal mit anderen treffen zu können. Partner B hingegen schleppt am liebsten jedes Wochenende neue Dates ab.
Ein Austausch über die eigenen Bedürfnisse ist also wichtig. Und bedenke: Nicht immer wissen wir schon im Voraus, was uns wie gut tut. Und Bedürfnisse neigen dazu, sich im Laufe der Zeit zu ändern.
Variante #4: Hauptpartner und Friends with Benefits
Der nächste Schritt wäre eine offene Beziehung, in der es einen ganz klaren Hauptpartner gibt und in der es okay ist, Sex mit Freunden zu haben.
Es kann sein, dass eine solche Freundschaft sich nicht groß ändert – abgesehen davon, dass die beiden Freunde nun miteinander schlafen. Es kann aber passieren, dass beide Freunde sich im Laufe der Zeit immer näher kommen. Dann wird aus der Freundschaft plötzlich eine Liebesbeziehung.
Kommunikation spielt auch hier eine große Rolle, damit der eigentliche Partner sich nicht plötzlich wie das dritte Rad am Wagen fühlt.
Variante #5: Polyamore Beziehung
Mit dem Begriff der Partnerschaft kommen wir hier oft gar nicht weiter, denn der Gedanke eine polyamoren Beziehung will sich oft gerade von dem Ideal der Zweisamkeit lösen.
Und tatsächlich gibt es viele Menschen, die in solchen Mehrfachbeziehungen dauerhaft sehr glücklich sind.
In einer polyamoren Beziehung kann dabei abgesprochen sein, dass es eine Haupt- und eine oder mehrere Nebenbeziehungen gibt. Viele polyamor lebende Menschen sprechen aber auch von dem Begriff der Beziehungsanarchie. Dieser meint dann, dass sich alle Liebenden auf der gleichen Ebene begegnen wollen.
Variante, die eigentlich keine ist:
Zum Schluss noch ein Beispiel, das zeigt, wie Labels auch mit unschönen Absichten genutzt werden können. Es gibt Leute, die behaupten öffentlich, eine offene Beziehung zu führen. Fragt man dann deren Partner, bekommt man ein trauriges Gesicht und die gegenteilige Aussage.
Natürlich kann man das auch irgendwie als (pseudo-)offene Beziehung bezeichnen – allerdings dürfte das für die meisten Menschen keine moralisch einwandfreie Option sein.
Denn Ehrlichkeit und Respekt gegenüber dem Partner sind Werte, die von den meisten Menschen in einer gesunden Beziehung auch explizit geteilt und erwartet werden. Egal, ob die Beziehung nun offen oder nicht offen ist.
Fazit: Offen Reden…
Und – vielleicht noch schwieriger! – offen zu sich selbst zu sein. Vor allem, was die eigenen Bedürfnisse betrifft.
Wenn der Wunsch da ist, mit einer anderen Person zu schlafen, gibt es immer mehrere Optionen. Die Beziehung zu öffnen, ist nur eine Möglichkeit.
Sich aufgeschlossen die Frage zu teilen, wo dieses Bedürfnis herkommt, ist die andere Alternative.
[Tipp: Wenn das Öffnen einer Beziehung kein Thema für dich ist, erfährst du auf meiner Sonderseite glückliche Beziehungen, wie du auf anderen Wegen deine Beziehung verbessern kannst]
… und klug vorgehen
Meinen Lesern empfehle ich daher, beide Wege in Betracht zu ziehen. Denn es gibt Menschen, für die ist eine offene Beziehung genau das Richtige (obwohl sie sich vielleicht noch nicht dazu durchringen konnten, eine zu führen). Und es gibt Menschen, die führen eine offene Beziehung, merken aber, dass das einfach nicht passt.
Das erfordert etwas Aufwand, lohnt sich aber. Wenn du bis hierhin neugierig geworden bist, dann habe ich einen Vorschlag zum Weiterlesen:
Mein Buch zum Thema offene Beziehung, das du auf Amazon oder in jedem Buchhandel findest.
In jedem Fall wünsche ich dir auf deinem weiteren Weg aber viel Spaß und Erfolg. Egal, wie er aussieht!
Dein