„Mein wahres Selbst – Wer oder was ist das eigentlich?“ (Selbstfindung Teil 1)
Selbstfindung.
Ein Begriff, den ich in letzter Zeit immer häufiger lese und höre.
Was ist eigentlich das „Selbst“ und warum soll man es finden?
In dieser Erkenntnisreihe möchte ich Antworten auf diese und andere Fragen geben und dir am Ende zeigen, wie du dein wahres Selbst finden kannst.
Ich möchte dir in diesem ersten Teil dein Selbst und dein Ego vorstellen und dir erklären, warum es die beiden gibt.
Hier findest du die komplette Reihe:
- „Wer oder was ist eigentlich mein wahres Selbst?“
- Wie du mit einem einfachen Trick dein wahres Selbst erkennen kannst
- „Ist mein Leben vom Ego oder vom Selbst bestimmt?“
- Wie du endlich dein wahres Selbst findest
Dein wahres Selbst
Wir benutzen das Wort regelmäßig und ohne weiter darüber nachzudenken.
In Sätzen wie „Da bist du selbst dran schuld“ oder „Das habe ich selbst gemacht“ ist dieses Wort jedoch nicht zwingend notwendig.
Beide Sätze wären auch ohne das Wort „selbst“ komplett und die Aussage wäre die gleiche.
Da liegt doch die Frage nahe, ob man überhaupt ein „Selbst“ braucht?
Unbestreitbar ist die Tatsache, dass es bei dem Begriff „Selbst“ um eine tiefere Ebene des Begriffes „Ich“ geht.
Der Satz „Das habe ich selbst gemacht“ hat eine tiefere Wirkung als die Variante „Das habe ich gemacht„.
So kannst du den Begriff auch für dein wahres Selbst verstehen. Es ist eine tiefere Ebene deines Ichs.
Dein Selbst ist dein ursprüngliches Wesen, unverfälscht und unbegrenzt. Da es aber unter der Oberfläche liegt verlieren die meisten Menschen es aus den Augen und deshalb müssen sie es später wieder finden.
Kinder sind zum Beispiel noch mehr „sie selbst“. Im Laufe ihres Lebens machen sie aber alle Erfahrungen, die einen anderen Teil des Ichs stärken und das Selbst in den Hintergrund und teilweise hinter verschlossene Türen geraten lassen.
„Jeder ist sich selbst der Fernste.“
(Friedrich Nietzsche: Werke III – Zur Genealogie der Moral)
Dein Ego
Dieser andere Teil ist das Ego.
Das Ego ist eine Art Schutzhülle um unser Selbst. Es beginnt im Kindesalter zu wachsen und wird durch Äußere Einflüsse bekräftigt und immer größer und härter.
Schon das Erlernen des Unterschiedes zwischen „mein“ und „dein“ ist ein solcher Einfluss, der eine der ersten dünnen Schichten zwischen dem eigenen Selbst und der Umwelt erschafft.
Aber das Ego hat nicht nur diese Schutzfunktion.
Es dient auch als Identifikator, als unverwechselbarer und einzigartiger Fingerabdruck eines Individuums. So wie der Körper auf materieller Ebene aus uns ein Individuum macht und uns gegen die Umwelt abgrenzt, so grenzt uns auch das Ego auf der geistigen Ebene gegen die Umwelt ab und macht das Ich greifbar. Es gibt uns Persönlichkeit.
Durch all die Erfahrungen, die es im Leben sammelt, wird es einzigartig. Erfolge, Fehlschläge, verlorene Freundschaften und Liebschaften, Schmerzen, Freuden… all das wird Teil deines Egos.
Wie Ego und Selbst funktionieren (Ein Beispiel)
Da man sich dieses ganze Ego-Selbst-Verhältnis schlecht vorstellen kann, möchte ich es dir hier an Hand eines sehr passenden Beispiels veranschaulichen:
Stellen wir uns einen fabrikneuen und unberührten PC vor, der in diesem Beispiel den menschlichen Körper darstellen soll. Für uns sind an dieser Stelle folgende Bestandteile des PC von wesentlicher Bedeutung: Die (noch) leere Festplatte und der Internetzugang.
Da nur durch die Hardware alleine der PC noch nicht läuft, erwecken wir ihn zunächst mit dem Aufspielen des Betriebssystems „Mensch 1.0“ zum Leben.
Funktion des Selbst
Der Internetzugang ist das Tor zum wahren Selbst.
Zu Beginn haben wir uneingeschränkten Zugriff darauf und können aus dieser unerschöpflichen Quelle schöpfen soviel wir nur wollen.
Wir sind facettenreich wie eine Discokugel, denn wir können so viele Gesichter annehmen, wie es Webseiten im Netz gibt. Über diesen Internetanschluss sind wir mit allem verbunden und sind gleichzeitig Teil von allem. Wir sind eins mit allem und ganz wir selbst.
Unser System ist hier nur das Medium über das das Selbst in Erscheinung tritt.
Funktion des Ego
Der leere Speicher ist das Ego, das nun im Laufe der Zeit verschiedene Funktionen übernimmt [die bei übereifrigen Egos auch negative Auswirkungen haben können].
Schutz [Misstrauen]
Da es dort draußen Dinge gibt, die für unser System schädlich sein können und die Verkörperung unseres Selbst bedrohen, müssen wir uns vor diesen Einflüssen schützen.
Wir installieren einen Virenscanner und eine Firewall. Damit haben wir das Ego mit seinen ersten Funktionen beauftragt.
Das Ego überprüft und bewertet nun alles, was reinkommt und kategorisiert, ordnet oder wehrt es ab wie ein Türsteher vor einer Disco.
Identität [Besonders sein wollen]
Nun wissen wir alle, dass die schöne saubere Festplatte eines neuen PC nicht sehr lange leer und sauber bleibt.
Wir speichern allerlei Dinge darauf, die wir für wichtig halten. Wir wählen Teile der großen Datenmenge des Internet aus und nehmen sie in unser System auf. Sie sind nun Teil von uns. Wir können uns über sie definieren.
Die gesamte Kombination dieser Daten auf unserer Festplatte macht uns einzigartig.
Selbstbegrenzung [Selbstverlust]
Obendrein legen wir dann auch noch eine Startseite für unseren Internet-Browser fest und definieren ein paar Lesezeichen.
Unser Selbst haben wir damit erst mal auf das nötigste reduziert und aus der Discokugel einen kleinen Taschenspiegel gemacht.
Selbstbewusstsein [Selbstüberschätzung]
Dazu kommt nun noch, dass wir den Daten auf unserer Festplatte viel mehr Vertrauen schenken, als denen im Internet.
Das ist natürlich auch gerechtfertigt, denn schließlich haben wir Erfahrungen mit diesen Daten und Programmen. Wir wissen was sie tun und welche Ergebnisse sie liefern und daher bauen wir stets auf sie.
Selbständigkeit [Egomanie]
Außerdem können wir uns sicher sein, dass diese Daten uns immer zur Verfügung stehen, auch dann, wenn wir mal die Verbindung zum Netz verloren haben sollten.
Unabhängigkeit [Beschränkung]
Und so machen wir uns Download für Download unabhängiger von dem Netz an dem wir hängen und aus dem alles kommt, was wir sind.
Das Selbst als Verbindung zum großen Ganzen wird nebensächlich. Es kommt zum scheinbaren Verlust des Selbst.
Das Ego hat die Oberhand auf unserem System. Es entscheidet was rein und raus geht und bietet die benutzbaren Routinen zum Leben an.
Was nicht auf der Festplatte ist, wird auch nicht zur Lösung von Problemen herangezogen.
Wir haben nun unseren eigenen kleinen Datenkosmos, den wir hin und wieder mit ein paar nützlichen Daten aus dem Internet ergänzen oder hier und da mal durch ein Update aktualisieren.
Selbsterhaltung [Angst]
Da unser System nun individuell ist und nach unserer Auffassung alles hat, was wir zum Leben brauchen, ist ein Datenverlust für uns undenkbar und eine riesige Katastrophe.
Wir könnten eher ein Leben lang ohne Internet sein als ohne unsere Daten auf der Festplatte. So entsteht die Angst das Ego zu verlieren und letztlich auch die Angst vor dem eigenen Tod.
Dabei müsste uns doch bewusst sein, dass der ganze Inhalt unserer Festplatte nur aus Teilen des ewigen und unendlichen Netzes besteht und diese auch nach dem Tod unserer Festplatte da weiter existieren, wo sie her gekommen sind und schon immer waren. Es war ja alles nur geliehen.
Warum so kompliziert?
Dieses Bildnis ist prädestiniert für die Veranschaulichung des Verhältnisses zwischen Ego und Selbst. Es zeigt, dass wir alle an der selben Quelle hängen und von ihr unsere „Daten“ beziehen, genauso wie es uns verdeutlicht, wie unser Ego funktioniert.
Schließlich könnten wir darin sogar eine Antwort auf die Frage vermuten, warum es eigentlich neben dem allumfassenden und endlosen Datennetz diese vielen kleinen einzelnen (Menschen-)Systeme gibt. Nämlich um Input zu generieren!
Wir sind temporäre Standalone-Systeme, die mit Hilfe einzelner Teile des großen Ganzen oder im Verbund Input produzieren und das Netz wachsen lassen. (-> Wir sind Gott)
So wie ich gerade diesen Text schreibe um ihn später zu veröffentlichen, schreibst du gerade einen Artikel über dein Leben, in dem du alle deine Erfahrungen, Erkenntnisse und Eindrücke festhältst und den du irgendwann im „Netz“ zur Verfügung stellen wirst und damit unser aller Selbst bereicherst.
Ein weiterer schöner Vergleich dafür ist auch, dass wir alle Flüsse sind, die am Ende ins große Meer münden. Diese Metapher habe ich sehr detailliert in meinem kostenlosen eBook „Weisheiten des Flusses“ beschrieben.
Fazit
Werde dir der Existenz von Ego und Selbst bewusst und mach dir klar, dass beide ihre Daseinsberechtigung haben.
„Das Ego ist der «Ich»-Gedanke. Das wahre «Ich» ist das Selbst.“
(Ramana Maharshi)
Im zweiten Teil werden wir den nächsten Schritt auf unserer Selbstfindungsreise gehen.
Ich werde dir zeigen, wie du dein Selbst erkennen kannst, denn schließlich ist es auf einer Suche nach dem Selbst wichtig zu wissen, wie das Objekt der Begierde eigentlich aussieht.
Bis dahin habe ich noch zwei Fragen an dich:
Erkennst du Ego und Selbst in dir? In welchen Situationen übertreibt es dein Ego?